Nozhdar Alomar
"Ich fühl mich in meiner Ausbildung sehr wohl. Alle meine Kolleg*innen fühlen sich verantwortlich, wenn ich eine Frage habe und unterstützen mich. Nur in der Berufsschule ist es manchmal schwer. Die ganzen Fachbegriffe zu lernen, ist eine Herausforderung."
23 Jahre, Gera
Gespräch mit Nozhdar Alomar
Die ersten Jahre in Deutschland
Im Jahr 2020 verließ Nozhdar Alomar mit seiner Familie seine Heimat, den Irak und kam mit ihnen nach Deutschland, wo sie einen Asylantrag stellten. In den ersten Wochen ging es quer durch die Republik - von Bochum nach Bielefeld und nach einer Woche von Bielefeld nach Suhl, dort blieb die Familie vier Monate, bis sie dann nach Gera geschickt wurde. Nozhdar Alomar war damals 18 Jahre alt. Er kam als ältester Bruder mit seinen fünf Geschwistern und seiner Mutter nach Deutschland.
„Das größte Problem am Anfang war die Sprache. Meine Mutter ist leider krank und es war am Anfang sehr schwer auch die Ärzte zu verstehen“, so Alomar.
Als ältester Bruder fühlt er sich verantwortlich für die ganze Familie. In den zwei Jahren, bevor er zum LAT-Projekt kam, hat er alle bürokratischen Angelegenheiten für die Familie geregelt, die Anträge beim Sozialamt gestellt und die Geschwister an der Schule angemeldet.
Nozhdar Alomar hatte trotz seines jungen Alters schon eine genaue Vorstellung von den ersten Schritten, die er machen muss, um sich in den Thüringer Arbeitsmarkt zu integrieren. Zunächst wollte er einen B2-Kurs besuchen, um seine Deutschkenntnisse zu verbessern und seine Chancen auf eine Ausbildung zu erhöhen. Die Zulassung zum B2-Kurs wurde ihm jedoch nicht gewährt. Zwei Jahre lang hat er versucht, einen Job zu finden. Aber entweder scheiterte es an der Ausländerbehörde oder die Unternehmen wollten ihn nicht einstellen.
Mit dem LAT-Projekt FIF 3.0 ging es für Nozhdar Alomar endlich voran
Herrn Alomars Schwester erzählte ihm vom LAT-Projekt FIF 3.0 – Förderung der beruflichen Integration ausländischer Fach- und Arbeitskräfte in Gera und dem Projektmitarbeiter Yousef Yousef. Sie berichtete ihm, dass er ebenfalls aus dem Irak stamme und es sein Job sei, Geflüchtete bei ihrem Weg in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Der Eintritt ins Projekt brachte endlich den lang ersehnten Wendepunkt für den inzwischen 20jährigen.
Nozhdar Alomar befand sich damals noch in der Aufenthaltsgestattung und bekam aufenthaltsrechtliche Beratung von der Diakonie in Gera. Seine Bleibeperspektiven sahen jedoch nicht sehr gut aus. Sein Bruder und er sind die Einzigen der Familie, die keinen Aufenthaltstitel bekommen haben.
Im Januar 2024 hatte Herr Alomar dann seinen ersten Termin mit Herrn Yousef, der ihm auch bei der Sicherung des Aufenthalts helfen wollte. Gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten in Gera entwickelten sie verschiedene Szenarien für das weitere Vorgehen. Im Mai 2024 kam der negative Asylbescheid und Alomar rutschte in die Duldung.
Nozhdar Alomar und Yousef Yousef versuchten erneut eine Zulassung für den B2-Sprachkurs zu bekommen, um die Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern. Aber auch jetzt hatten sie damit keinen Erfolg. Also versuchten die beiden, auch ohne das Zertifikat einen Ausbildungsplatz zu finden.
In der beruflichen Orientierung loteten sie verschiedene Berufsfelder aus und identifizierten dann den Beruf des Maschinen- und Anlageführers als passend. Herr Youssef hatte für die Teilnehmer*innen des LAT-Projekts eine Werksbegehung bei der Getzner Textil Weberei GmbH organisiert, um den jungen Menschen ein besseres Bild von so einem Betrieb und der Arbeit dort zu geben. Auch Herr Alomar war dabei und er konnte sich gut vorstellen, hier seine Ausbildung zu machen.
Nozhdar Alomar war sehr froh über die Unterstützung durch das LAT-Projekt, gemeinsam konnten sie Bewerbungen schreiben und die Arbeitserlaubnis bei der Ausländerbehörde beantragen.
In der Getzner Textil Weberei GmbH zählt vor allem das Können
Herr Yousef begleitete Herrn Alomar zu einem ersten Kennenlerngespräch mit Patricia Büchel, die bei der Getzner Textil Weberei GmbH für das Qualitätsmanagement und auch für die Auszubildenden zuständig ist. Sie vereinbarten einen Probetag und Nozhdar Alomar überzeugte durch sein handwerkliches Geschick und seine schnelle Auffassungsgabe.
Bei der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages hat Yousef Yousef seinen Teilnehmer dann auch begleitet.
In den acht Monaten im Projekt ist für Nozhdar Alomar viel passiert. „Es musste auch schnell gehen, weil ich nicht so viel Zeit hatte, um auch einen besseren Aufenthaltstitel zu bekommen“, sagte er.
Die Kolleg*innen bei Getzner unterstützen Herrn Alomar bei allen Fragen, „Ich kann jederzeit anrufen oder Emails schreiben“, berichtet Herr Alomar.
Der praktische Teil der Ausbildung läuft für Herrn Alomar sehr gut und die Arbeit macht ihm Spaß. Nur in der Berufsschule ist es etwas schwieriger. „Für Menschen, die kein Deutsch sprechen, ist das schon eine Herausforderung mit den ganzen Fachbegriffen“. Einen Nachteilsausgleich für die Leistungskontrollen bekommt Nozhdar Alomar nicht.
Die Textilweberei Getzner weiß um die Probleme von Nicht-Muttersprachler*innen im Theorieunterricht. Sie nutzen regelmäßig das Programm VerA „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“. Hierüber erhalten die Azubis Nachhilfe von ehrenamtlichen Menschen, die in dem entsprechenden Berufsfeld jahrelang gearbeitet haben.
Nach Ausbildungsbeginn versuchen er und Herr Yousef nun noch die Ausbildungsduldung zu erwirken und auch den Antrag für die BAB (Berufsausbildungsbeihilfe) haben sie gemeinsam vorbereitet. Nozhdar Alomar ist froh, dass er Yousef Yousef kennengelernt hat. „Er ist einfach schon viel länger in Deutschland und weiß alles“.
Über seine weitere Zukunft hat sich Nozhdar Alomar mit seinen 23 Jahren noch keine größeren Gedanken gemacht, aber bei der Textilweberei Getzner gefällt es ihm schon einmal sehr gut. Er bekam von der Firma auch das Angebot nach seiner 2jährigen Ausbildung noch ein drittes Lehrjahr dranzuhängen.
Wir wünschen Nozhdar Alomar alles Gute für seine Zukunft.


Gespräch mit dem LAT-Projekt FIF 3.0 (Yousef Yousef von der IHK Ostthüringen zu Gera)
Ein schwieriger Weg endet erfolgreich: Nozhdar Alomars Weg in den Arbeitsmarkt
Nozhdar Alomar kam im Januar 2024 in die Beratung von Yousef Yousef, der für die IHK Ostthüringen als Projektmitarbeiter des LAT-Projekts FIF 3.0 Geflüchtete bei der beruflichen Orientierung und Arbeitssuche unterstützt. Er war auf Empfehlung seiner jüngeren Schwester gekommen.
"Seine jüngere Schwester war bereits mir im Projekt", berichtet der Projektmitarbeiter. "Sie suchte damals einen Minijob und ein Praktikum. Da habe ich sie ins Projekt aufgenommen." Nach einigen Wochen stellte die Schwester ihren Bruder vor: "Sie hat gesagt, ich habe einen Bruder, der seinen Integrationskurs erfolgreich beendet hat und schon länger eine Arbeit sucht."
Nozhdar Alomar kam als jugendlicher Geflüchteter zusammen mit seiner Mutter und seinen sieben Geschwistern aus dem Irak nach Deutschland und befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Asylverfahren. "Er war noch in der Aufenthaltsgestattung. Die Chancen auf einen positiven Asylbescheid waren schlecht und wir vermuteten, dass er wahrscheinlich eine Duldung bekommt," berichtet Yousef Yousef.
Nozhdar Alomar war bereits bei der Migrationsberatung der Diakonie in Gera, die einen ähnlichen Ausgang des Asylverfahrens erwarteten. „Wir versuchten über einen Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag, einen Antrag auf Beschäftigungserlaubnis bei der Ausländerbehörde zu stellen, um eine Ausbildung bei der Firma Getzner Textil Weberei GmbH anfangen zu können. Das hat später ja auch geklappt.“, so Yousef Yousef.
Die Hoffnung nie aufgegeben: Nozhdar Alomar startet Ausbildung bei der Getzner Textil GmbH
Nozhdar Alomar hatte zuvor lange allein versucht eine Beschäftigung zu finden. Anfangs wollte er gern einen B2-Kurs besuchen und dann eine Ausbildung machen. Leider hat es mit dem B2-Kurs nie geklappt, da er keine Berechtigung für den Sprachkurs bekommen konnte. Das wäre nur durch eine Arbeitssuchendmeldung bei der Arbeitsagentur möglich gewesen, aber da die Ausländerbehörde keine Arbeitserlaubnis erteilt hat, war das auch nicht möglich.
"In der Folge suchte er über zwei Jahre vergeblich eine Arbeit. Die Suche blieb leider erfolglos, entweder scheiterte es bei den Arbeitgebern oder an der Ausländerbehörde", beschreibt Yousef Yousef die schwierige Ausgangssituation. Doch trotz der vielen Rückschläge hielt Nozhdar Alomar an seiner Hoffnung fest. Schließlich äußerte er in der Beratung, dass er sich eine Ausbildung als Maschinen- und Anlagenführung gut vorstellen kann. Yousef Yousef organisierte mit mehreren Teilnehmenden aus seinem Projekt einen Betriebsrundgang bei der Getzner Textil GmbH . Bei diesem Betriebsbesuch war auch Nozhdar Alomar dabei und erhielt erste Einblicke in das Unternehmen und die Betriebsabläufe. „Ich organisiere aktuell häufiger solche Betriebsrundgänge bei lokalen Arbeitgeber*innenn, um meinen Teilnehmenden einen Einblick in verschiedene Berufe zu ermöglichen und zu zeigen, wie ein Unternehmen hier in Deutschland aufgebaut ist. Das ist sehr hilfreich für die berufliche Orientierung von Migrant*innen. Die meisten haben das vorher nie irgendwo kennengelernt“, erklärt der Projektmitarbeiter.
Yousef Yousef schlug vor, es bei der Getzner Textil Weberei GmbH zu versuchen, da das Unternehmen eine Qualifizierung für Quereinsteiger anbietet. Für die Qualifizierung gab es zunächst keinen freien Platz, aber es gab freie Plätze für eine Ausbildung. Yousef Yousef nahm dann Kontakt zur Patricia Büchel auf, die im Unternehmen für die Aufnahme und Begleitung von Auszubildenden zuständig ist und Nozhdar Alomar bekam eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Nach dem Gespräch bekam er die Möglichkeit, seine praktischen Fähigkeiten bei einem Probearbeitstag zu zeigen. Dieser war erfolgreich, da Nozhdar Alomar eine große handwerkliche Begabung mitbrachte. Besonders die Feinmotorik war bei ihm von Beginn an vorhanden, die für die Textilarbeiten an den Maschinen gebraucht wird. „Er ist außerdem sehr geduldig, sehr selbstständig und verantwortungsbewusst“, beschreibt Herr Yousef die Eigenschaften des jungen Auszubildenden. Somit wurde ihm ein Ausbildungsvertrag angeboten. Seit 01. September 2024 macht er in Gera seine Ausbildung bei der Getzner Textil GmbH.
Chancen schaffen: Wie ein Unternehmen Barrieren überwindet
Yousef Yousef erklärt, warum er die Getzner Textil Weberei GmbH für einen guten Arbeitgeber hält: „Dieses Unternehmen ist ein sehr positives Vorbild dafür, dass es nicht allen Arbeitgeber*innen nur auf Zertifikate ankommt und Migrant*innen auch ohne Schulabschluss und B2-Niveau eine Chance bekommen, wenn sie praktische Fähigkeiten und Interesse für die Arbeit mitbringen.“ Herr Yousef wünscht sich auch von anderen Unternehmen mehr Offenheit für die Beschäftigung von jungen, talentierten Migranten wie Nozhdar Alomar. An dieser Erfolgsgeschichte könne man sehen, dass es ein Gewinn für beide Seiten sein kann.
Nozhdar Alomar ist weiterhin in der Beratung beim FiF-Projekt. Als nächstes wird er mit Herrn Yousefs Unterstützung einen Antrag auf Ausbildungsduldung stellen. Dann hat er eine sichere Bleibeperspektive für die Dauer der Ausbildung.
Für die Zukunft wünscht Herr Yousef seinem Teilnehmer vor allem, dass er seine Ausbildung erfolgreich abschließt, „außerdem wünsche ich ihm, dass er sich in seinem neuen Betrieb und auch in der Stadt Gera wohl fühlt.“
Gespräch mit Patricia Büchel von der Getzner Textil Weberei GmbH
Integration und Vielfalt: Getzner Textil setzt auf Inklusion in der Ausbildung
Die Getzner Textil Weberei GmbH in Gera ist eine Tochter der Getzner Textil AG, die zu den weltweit führenden Herstellern von Bekleidungsdamasten, Modestoffen und technischen Textilien zählt. Mit über 300 Mitarbeitenden ist das Unternehmen ein wichtiger Arbeitgeber in der Region Ostthüringen.
Vorpraktika für angehende Auszubildende gehören hier zur Normalität. Die Praktika umfassen ein bis vier Tage, in denen Job-Interessierte ihr handwerkliches Geschick zeigen und für sich herausfinden können, ob die Tätigkeit zu ihnen passt. „Es ist wichtig, dass man sich mit den Menschen verständigen kann, aber uns ist dabei ein Sprachzertifikat nicht wichtig. Und die Fachsprache lernt man sowieso „on the job“, berichtet Patricia Büchel, die sich um das Recruitment von Auszubildenden kümmert. Mit einem 15%igen Migrant*innen-Anteil kennt das Unternehmen auch die Herausforderungen, wenn neue Mitarbeitende mit geringeren Sprachkenntnissen in ihre Arbeit einsteigen. „Für unsere Azubis arbeiten wir eng mit der Stiftung VerA zusammen. Die Ehrenamtlichen können Verständnisprobleme in der Berufsschule sehr gut abfangen, da sie ja selbst jahrelang in dem Bereich gearbeitet haben, so Patricia Büchel.
Den Probetag mit Nozhdar Alomar hat sie nur zufällig begleitet, als Urlaubsvertretung für die Praxisanleiterin. Herr Alomar hat diesen auch gut gemeistert, sodass Frau Büchel ihn auch für das Ausbildungsjahr einstellen wollte. Das Praktikum ist normalerweise etwas länger. „Aber er hat das so schnell alles umgesetzt, da wusste ich, dass wir das mit der Ausbildung versuchen.“
Auch mit jahrelanger Erfahrung bleiben die bürokratischen Hürden hoch
In der Getzner Textil Weberei GmbH kennt man das leidige Thema mit den Aufenthaltstiteln bereits. „Ich habe das ja jetzt auch schon ein paar Mal mitbekommen, auch bei anderen Auszubildenden, wie schwer einem die Einstellung gemacht wird. Die Ausländerbehörde möchte von uns den Ausbildungsvertrag und wir wollen zunächst die Bestätigung, dass der junge Mensch bei uns arbeiten darf. Einer von beiden bewegt sich dann immer in einer rechtlichen Grauzone“, erzählt Patricia Büchel.
Auch die Geschäftsführung hatte schon versucht, einen Termin in der Ausländerbehörde zu bekommen, um längere Aufenthaltstitel für die Mitarbeitenden in Duldung zu bekommen und den administrativen Aufwand zu reduzieren. Das war bisher immer sehr mühsam und mit viel Aufwand verbunden.
Die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde empfindet Patricia Büchel prinzipiell als gut, aber die Regelungen sind teilweise nicht durchdacht. „Da könnte vieles vereinfacht werden, auch wenn es darum geht, aus einem Landkreis in einen anderen zu ziehen, daran sollte das doch nicht scheitern“, berichtet sie.
Für Nozhdar Alomar wünscht sich Patricia Büchel, dass er gut durch die Ausbildung kommt und sich seine aufenthaltsrechtliche Situation auch etwas entspannt.
„Ich würde mir auch wünschen, dass er sich jetzt im Laufe der Ausbildung dafür entscheidet, das dritte Jahr noch anzuhängen. Und dass er uns danach vielleicht auch erhalten bleibt als Mitarbeiter.“

Mehr über das Projekt erfahren Weitere Praxisbeispiele ansehen