Zainab Al-Saffar
Gera und Erfurt
Die Angst (dass mich die Leute nicht verstehen) hatte ich auch am Anfang bei der TEAG, aber ich kann hier einfach drauflos sprechen und die anderen verstehen mich. Das war eine tolle Erfahrung.
Gespräch mit Zainab Al-Saffar
Mit viel Unterstützung für Zainab Al-Saffar gelingt der Start in Deutschland
Zainab Al-Saffar kam über die Familienzusammenführung 2018 nach Gera, wo ihr Vater schon seit 2015 lebt. Die ersten Tage waren für sie sehr schön und aufregend in dem neuen Land, endlich wieder zusammen mit ihrer ganzen Familie. Die ersten Monate zogen sich dann sehr in die Länge. Sie war vor allem zuhause, musste sich um Anmeldungen und Behördliches kümmern.
Im Irak hatte Frau Al-Saffar bereits 12 Jahre die Schule besucht, aber noch keinen Abschluss absolviert. In Deutschland wurde ihr eine Anerkennung eines Realschulabschlusses ausgestellt. Bevor sie an einem beruflichen Gymnasium wieder zur Schule gehen konnte, war gerade mal noch ein Monat Zeit für ihren ersten Deutschkurs. Im ersten Jahr am beruflichen Gymnasium nutze sie noch viel Englisch. „Das war schon sehr schwer und ich habe auch oft gedacht, dass ich das nicht schaffe. Aber ich hatte einen Schulleiter, der auch mein Chemielehrer war, der hat mir immer geholfen und mich bestärkt. Dann habe ich auch Schritt für Schritt Deutsch gelernt“, sagt die junge Irakerin.
Nach der Schule schickte sie die Agentur für Arbeit dann zur IHK, damit Zainab Al-Saffar Unterstützung im FIF-Projekt bekommt. „Da habe ich Frau Raschke kennengelernt und sie hat mit mir ganz viele Bewerbungen für die Ausbildung geschrieben und mich bei Problemen auch immer unterstützt – vor allem bei der Sprache. Das war eine große Hilfe. Und als dann Herr Youssef kam, wurde es noch einfacher, weil er auch arabisch spricht,“ so die heute 23-jährige.
Im Bewerbungscoaching haben sie auch Vorstellungsgespräche geübt, natürlich auf Deutsch.
Trotz sehr guter mathematisch-technischer Fähigkeiten fällt die Ausbildungssuche schwer
Wo die berufliche Reise hingehen sollte, wusste Zainab Al-Saffar genau. „Mein Onkel war Elektroingenieur, das wollte ich auch machen. Dann habe ich mich als Elektronikerin beworben. Zuerst hatte ich keine Zusagen auf meine Bewerbungen, aber später habe ich dann mehr positive Antworten bekommen; eine von der TEAG.“
Beim ersten Kennenlernen und nach dem Eignungstest stellte sich jedoch heraus, dass es nicht die Ausbildung zur Elektronikerin werden sollte. Doch bei der TEAG wollte man die herzliche und intelligente junge Frau nicht ziehen lassen und bot ihr die Ausbildung zur Fachinformatikerin an.
„Ich hatte am Anfang viel Angst, dass ich die Ausbildung hier nicht schaffe. Aber ich habe viel Unterstützung von Daniel Papst und Johannes Trümper bekommen. Und dazu habe ich ja immer die Befürchtung, dass mich die Leute nicht verstehen, wegen meinem nicht so guten Deutsch. Die Angst hatte ich auch am Anfang bei der TEAG, aber ich kann hier einfach drauflos sprechen und die anderen verstehen mich. Das war eine tolle Erfahrung.“
Die Berufsschule mit den vielen neuen Fächern und Fachbegriffen ist dennoch eine Herausforderung für Zainab Al-Saffar. „Ich muss mich nicht nur in der Schule sehr konzentrieren, sondern ich wiederhole nachmittags auch alles noch einmal zuhause.“ Dank ihrer Willenskraft macht sie gute Lernfortschritte.
Für die Ausbildung ist Zainab Al-Saffar nach Erfurt gezogen. „Ich glaube, dass man in Erfurt schneller Freunde finden kann als in Gera – hier gibt es mehr junge Leute.“ Die Wochenenden verbringt Zainab Al-Saffar trotzdem gern in Gera bei ihrer Familie. „Sie sind meine größte Unterstützung. Wenn ich ein Problem habe, gehe ich zuerst zu meiner Familie, sie sind immer an meiner Seite und helfen mir. Deshalb fühle ich mich auch in Thüringen wohl – weil meine Familie hier ist.“
Die junge Frau wünscht sich zwar auch, mehr Freunde zu finden, aber die Ausbildung steht zunächst an oberster Stelle. „Ich will das schaffen, und dann auch nicht an einem Platz stehen bleiben, sondern mit meiner Karriere immer weiter nach oben kommen.“
(Juni 2023)
Gespräch mit dem LAT-Projekt FIF – Förderung der beruflichen Integration ausländischer Fach- und Arbeitskräfte (IHK Gera)
Trotz bester Voraussetzungen lange Bewerbungsphase
„Frau Al-Saffar kam im Juni 2021 zu uns ins FIF-Projekt. Ich habe damals noch ein duales Studium absolviert und die Industrie-und Handelskammer Ostthüringen in Gera war mein Praxispartner. Meine Kollegin Frau Raschke hatte damals die Projektleitung und hat Frau-Saffar bei den ersten Schritten unterstützt, so habe ich den Fall kennengelernt“, erinnert sich Yousef Yousef, der inzwischen das LAT-Projekt FIF in Gera selbst leitet.
Besonders beeindruckt war Herr Yousef von den sehr guten Kenntnissen in den Naturwissenschaften und Technik, die Frau Al-Saffar noch aus ihrer Schulzeit im Irak mitbrachte. „Sie wusste schon zu Beginn, wohin die Reise gehen soll. Sie ist sehr intelligent und weiß, was sie will. Sie hat mir auch von ihren eigenen Physikprojekten aus der Schule erzählt und das war wirklich faszinierend.“
Zainab Al-Saffar hatte den Wunsch, eine Ausbildung im Bereich IT, Mechatronik oder Elektronik zu finden. Am liebsten wollte sie Fachinformatikerin werden, aber auch eine Ausbildung im Bereich Mechatronik oder Elektronik konnte sie sich gut vorstellen. Frau Raschke und Herr Yousef unterstützen Frau Al-Saffar vor allem beim Schreiben der Bewerbungen sowie bei der Suche nach passender Ausbildungsstelle. „Obwohl sie sehr gute Kenntnisse vorweisen konnte, gab es in den ersten fünf Monaten nicht einmal eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Sie hat in Gera, in Jena, in Altenburg und der ganzen Region gesucht, ohne Erfolg. Das war wirklich frustrierend.“
Umso mehr freut es Herrn Yousef, dass Frau Al-Saffar nach langer Suche dann einen Ausbildungsplatz für ihren Traumberuf in einem angesehenen Unternehmen gefunden hat. Ihr Ausbildungsleiter und die Kolleg*innen bei der TEAG Thüringer Energie AG sind sehr nett und sie findet dort viel Unterstützung.
Unternehmen müssen die Zugänge für Migrant*innen verbessern
Beispiele wie das von Zainab Al-Saffar zeigen, wie schwierig es für Migrant*innen ist, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, selbst wenn gute Abschlüsse vorhanden sind. „Ich vermute, wenn sie ihre Bewerbungsunterlagen ohne Namen und ohne Bild an die Unternehmen gesendet hätte, wären mehr Zusagen gekommen.“ Die Skepsis gegenüber kulturellen Unterschieden und die zu hohe Erwartung an Vorkenntnisse, insbesondere bei den Sprachkenntnissen der Teilnehmenden, sind eine große Herausforderung in der Integrationsarbeit. Es wäre deshalb gut, wenn Unternehmen Strukturen etablierten, die das Ankommen am Arbeitsplatz erleichtern, z. B. durch Unterstützung bei den Behördengängen und der Wohnungssuche sowie bei gezielter und aktiver Kommunikation über die vorhandenen Vorbehalte und kulturellen Unterschiede.
Aber Herr Yousef findet es auch ermutigend, dass die Suche für Frau Al-Saffar am Ende erfolgreich war. Das gibt Hoffnung für die Zukunft. „Ich bin sehr froh, dass Frau Al-Saffar mit ihrer Ausbildung glücklich ist und bei der TEAG ein tolles Arbeitsumfeld mit netten Kolleg*innen gefunden hat. Ich wünsche ihr viel Erfolg für ihre Karriere und ihren weiteren Weg.“
(Juni 2023)
Gespräch mit Johannes Trümper, Leiter der TEAG-Akademie und Daniel Papst, Projektleiter im Datencenter der TEAG-Netztochter TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG
Zainab Al-Saffar ist als Azubi eine Bereicherung für die TEAG
Beim größten Thüringer Energie-Unternehmen TEAG werden an verschiedenen Standorten bis zu 50 Menschen jährlich in sieben verschiedenen Ausbildungsberufen ausgebildet. Zainab Al-Saffar hatte sich ursprünglich auf einen Ausbildungsplatz als Elektronikerin für Betriebstechnik beworben. Nachdem durch den Test bei der Betriebsärztin für diesen Beruf keine Eignung bescheinigt werden konnte, erhielt sie alternativ ein Ausbildungsangebot als Fachinformatikerin.
„Zainab hat einen so positiven Eindruck bei uns hinterlassen, dass wir sie nicht einfach ziehen lassen konnten“, berichtet Johannes Trümper. Sie war dann sehr glücklich über das Angebot, da es sich hier sogar um ihren ersten Berufswunsch handelte. „Zainab ist durch ihre freundliche und aufgeschlossene Art eine absolute Bereicherung. Sie ist ein Mensch, der die Herzen öffnet. Bei unserem Azubi-Sommerfest, war sie die Einzige, die für alle etwas mitgebracht hat. Das fand ich toll“, so Johannes Trümper.
Neben vielen Lehrgängen und der Berufsschule ist Zainab Al-Saffar immer sehr interessiert an praktischen Erfahrungen im Fachbereich. „Sie geht sehr positiv an die Sachen heran und ist immer bereit, Neues zu lernen. Egal was wir machen, sie ist stets sehr engagiert dabei“, erzählt Daniel Papst. „Neben der Bürowelt und dem Programmieren gehört es auch zu unseren Aufgaben, regelmäßig rauszugehen, um draußen technische Dinge umzusetzen. Zainab ist oft dabei, wenn wir unterwegs sind. Sie ist immer sehr interessiert und will vor Ort sehen, wie die Dinge funktionieren“, berichtet Daniel Papst. Auch bei großen MeetUp‘s hat sich Zainab Al-Saffar beteiligt und bei der Vorbereitung unterstützt.
Für ausländische Fachkräfte gibt es in Deutschland viele Hürden zu meistern
Eine Zusammenarbeit zwischen dem LAT-Projekt FIF und der TEAG gab es zuvor noch nicht, aber es war bekannt, dass bei der IHK verschiedene Projekte zur Arbeitsmarktintegration für Geflüchtete angeboten werden. „Wir als TEAG beteiligen uns auch aktiv dran, Migranten und Geflüchteten eine Perspektive zu geben. Es ist allerdings in unserem technisch-fachlichen Bereich eine Maßgabe, dass ausreichend Sprachkenntnisse vorhanden sein müssen. Nur so kann ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss gelingen“, erklärt Johannes Trümper. Bei der TEAG gibt es bereits Erfahrung in der Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichte. Aktuell hat beispielsweise ein Auszubildender aus Syrien seine Ausbildung erfolgreich beendet und arbeitet jetzt als Fachinformatiker im Unternehmen.
Johannes Trümper berichtet, dass Auszubildende und Mitarbeiter aus dem Ausland von Beginn an auch bei behördlichen Herausforderungen unterstützt werden. Insbesondere bei ausländischen Fachkräften, die noch nicht in Deutschland leben, bedeutet das einen hohen Aufwand. „Das fängt bei der Steueridentifikationsnummer und Rentenversicherungsnummer an; dann braucht es ein Bankkonto; auch die Anmeldung bei der Krankenkasse und die Suche nach einer Wohnung müssen geregelt werden. Das ist nicht leicht, aber wir haben es bisher immer gemeistert.“ Bei Zainab Al-Saffar war das leichter, da sie bereits einen Aufenthaltstitel hatte. Behördliche Schwierigkeiten gab es hier keine.
Für die Zukunft hat Johannes Trümper zwei Wünsche für Zainab Al-Saffar: „Mein größter Wunsch ist, dass sich Zainab weiterhin in der TEAG und in Thüringen gut aufgehoben fühlt. Und natürlich wünsche ihr, dass sie ihre Ausbildung bei uns erfolgreich abschließt!“
(Juni 2023)